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- 23/06/1926
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werde er tun, natürlich unter möglicher Wahrung der Arbeiterinteressen.
Ein höhnisches Gelächter erhob sich, und dann folgte ein wahrer Sturm der Entrüstung, aus dem Worte wie Arbeiterverräter, Halunke, Sozialdemokrat heraustönten. Man sah drohend erhobene Fäuste in der Luft und der Präsident schwang seine Glocke mit aller Heftigkeit, um die Ruhe wieder herzustellen.
Schließlich übertönte die starke Stimme des Sekretärs den Tumult, und als er sich Gehör zu verschaffen vermochte, sprach er mit Nachdruck:
„Kollegen, wir begreifen ja eure Erregung durchaus, und ich darf schon sagen, als wir unsere Besprechung mit dem Polizeipräsidenten hatten, da ist uns das Blut auch mehr als einmal zu Kopf gestiegen, und was er von uns zu hören bekam, das war auch nicht alles mit Rosenwasser gewaschen. Aber wir müssen uns auch einmal in seine Lage denken...“
„Er soll sich in unsere Lage denken“, schrie jemand.
„Ja“, fuhr der Sekretär bedenklich fort, „auch wir haben natürlich seinen Standpunkt nicht unbedingt billigen können, und meines Erachtens wäre es wohl das Beste, wenn ihr nochmals eine Delegation an Stockmann beschließen würdet, um ihm auch Aufschluß über die Stimmung der heutigen Versammlung zu geben. Das ist wohl das Zweckmäßigste, was wir heute beschließen können“.
Diesem Antrag folgte eine leidenschaftliche und verworrene Diskussion, aber das Ergebnis war, daß eine erneute Delegation beschlossen wurde.
Der alte Anton erhob sich traurig und sprach melancholisch:
„Aber dieser Beschluß bringt uns ja um gar nichts weiter“.
Und auch der Präsident schüttelte bedrückt den sorgenvollen Kopf. Wenn er sich auch zum Führer der De- legation hatte wählen lassen, so hoffte auch er nicht, daß irgend etwas nützliches zu erreichen sei. Aber für die Gewerkschaft war er bereit, jede Pflicht zu übernehmen.
24. Unter Freunden.
Als der Hutmacher Weiermann aus der Haft ent- lassen wurde, weil die Belastung für eine Anklage ein- fach nicht ausreichte, da zeigte sein Gesicht schon jene bleiche, müde Farbe, die sich bei den Gefangenen bald früher, bald später einstellt. Der Schneider König kannte sie gut, und darum empfing er seinen Freund beim ersten Besuch in seinen kleinen Zimmern mit den freundlichsten Worten:
„Die Laushunde habe dich übel zugerichtet“ Unerschüttert gab Weiermann die einfache Antwort: „Auch dafür wird ihnen die Rechnung präsentiert werden“.
Sie drückten einander kräftig die Hand, und König erkundigte sich:
„Soll einer von den ganz gemeinen Schuften sein, dieser Horner?“
Weiermann nickte:
„Brutal und gerissen“.
„Hat er geprügelt?“
„Mich nicht, aber ich trau's ihm in andern Fällen zu“.
„So ein Schwein“, äußerte König mit tiefster Ueberzeuoung.
Der Hutmacher kam des öfteren wieder zu Besuchen in des Schneiders Wohnung, um zu plaudern oder einfach in stillem Einverständnis beim Freunde zu sitzen. König rasselte mit der Nähmaschine und hustete, Weiermann berichtete über die Bewegung und über den Verlauf des Tischlerstreiks, und dann übten sie zusammen wohl auch ihre Kritik an der Entwicklung des Sozialismus der jüngsten Zeit und trauerten früheren Freunden nach. Dann füllte sich der schmucklose Raum mit Ideen und Erinnerungen aus der Vorkriegszeit und selbst aus jenen fernen Tagen, in denen König die, zwei Bilder auf beiden Seiten des Fensters angeklebt hatte, einen Holzschnitt, der Bakunin darstellte und eine stark verblaßte Photographie vom Kopf des Anarchisten Johann Most. Die Bilder dienten nicht der Dekoration, sondern es waren alte Prinzipienerklärungen, die durch das Alter für König wenig an Bedeutung verloren hatten. Mit dem Schneider zusammen füllten sie das Zimmer einheitlich aus, und daran fand auch der Hutmacher ein gewisses Wohlbehagen. Er, der langjährige Sozialdemokrat hatte zwar die Ansichten dieser Männer nie geteilt, aber er achtete sie als aufrichtige Revolutionäre, und fühlte sich bei ihnen in anständiger Gesellschaft.
Als er eines Tages unter dem John Most ein neues Papier angeklebt sah und sich dafür interessierte, verzog König sein Gesicht in einer spöttischen Grimasse und belehrte:
„Mein neuestes Ehrendiplom von der Polizei.“ Es war ein Bußenzettel im Betrage von 50 Mark wegen Widersetzlichkeit und Beamtenbeleidigung.
„Aber wie willst denn Du das bezahlen“, fragte der Hutmacher ganz entsetzt.
„Ich“, meinte König lachend, „ich habe in meinem Leben noch nie eine Buße bezahlt, und diese hier wird wohl keine Prinzipien meines Lebens stürzen".
„Du willst doch nicht absitzen?“
„Nein. Aber bis man eine Buße wirklich absitzen muß, können noch so gottgefällige Ereignisse eintreten, wie ein Umsturz in Portugal, China oder sogar Württemberg. Und wenn nun eure gottvergessene Revolution wirklich noch erfolgte und ich hätte diesem Banditenstaat volle 50 Mark bezahlt, wie stünde ich dann vor aller Zukunft da? Dümmer als ein abgehäuteter Kalbskopf. Und das kann ich nicht auf mich nehmen.“
Er besah sich lange den John Most, nickte ihm freundlich zu und brummte:
„Nicht wahr, Johann, es geht nicht an“.
Und zum Hutmacher gewandt fuhr er fort:
„Aber nun sag mir auch, wie hält sich unser Lunge im Loch und vor dem Richter?“
„Gut, gut“, lobte Weiermann, „sonst hätten sie die andern doch schon längst nachgeholt“.
Und es war ihnen beiden eine starke Genugtuung, daß der verhaftete Tischler sich klug und tapfer hielt. Beide betrachteten sie ihn gewissermaßen als ihren Zögling, wenigstens was seinen Charakter betraf, und weil sie gemeinsam in ihm die revolutionäre Gesinnung und die bodenlos tiefe Verachtung der bürgerlichen Justiz entwickelt hatten, die jetzt seine Stärke bilden mußte. Politisch war er zwar bei den Kommunisten und das nahm ihm keiner von beiden übel.
König kicherte vergnügt vor sich hin:
„Manchmal geht doch ein Korn von der Teufelssaat auf. Hihi, und der Kleinen wirds wohl tun. Mußt ihr erzählen, sonst wird sie melancholisch. So ein Kanarienvogelgemüt.“
Die Kleine aber, das war die Anna Barbara, von Beruf eine Einlegerin in einer der großen Druckereien der Stadt, und die gute Freundin eben jenes Gefangenen. König hatte sie zum Trost für den heutigen Abend zu sich geladen, und was er vom Kanarienvogel an ihr zu sehen glaubte, das hatte von allen Menschen, die sie kannten, sonst noch keiner gesehen. Die Natur dieser Zweiundzwanzigjährigen war weder schüchtern noch verängstigt. Vielmehr trug sie ihren Kummer über die Haft und die zu erwartende Strafe des Herzensfreundes mit viel Beherrschtheit und Festigkeit, und all ihr Sinnen war darauf gerichtet, ob man ihn denn nicht befreien könnte.
Als sie des Hutmachers ansichtig wurde, ging ein freudiges Lächeln über ihr kräftiges und für ihr Alter zu hartes Gesicht. Schon in diesen Jahren konnte man erkennen, daß eine zu schwere Jugend ihren Frohmut vernichtet hatte, aber eine starke und rücksichtslose Energie war ihr geblieben.
„Hast du ihn gesehen?“ fragte sie hastig. Und dann wollte sie noch vieles wissen. So, also die Zelle war nicht besonders schlecht, aber das Essen.
„Soda, immer nur Sodabrühe“, knurrte König dazwischen. „Zum Kotzen. Sie kochen überall so, an-
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