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- 23/06/1926
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Titolo: Gegen Pfaffen= und Polizeizensur
Der Musterdemokrat und derzeitige Innenminister Külz entwickelte mit Muckergruppen seit Monaten eine lebhafte Tätigkeit, um das sogenannte Schund- und Schmutzgesetz im Reichstag zur Annahme zu bringen. - Nachdem die deutsche Arbeiterklasse politisch, wirtschaftlich und sozial unterdrückt und geknebelt ist, soll jetzt die Unterdrückung und Knebelung auch auf geistigem Gebiete erfolgen.
Angeblich soll sich das Gesetz, das gegen den Protest der kommunistischen und sozialdemokratischen Abgeordneten am 3. Dez. im Reichstag angenommen wurde, gegen die Schund- und Schmutzerzeugnisse auf literarischem Gebiete richten. Nie wurde ein dümmerer und plumperer Schwindel versucht, als mit dieser Behauptung. Der die deutsche Jugend bedrohende Schund und Schmutz sind nicht die paar Indianer-Schmöker, die einige Schuljungen verschlingen, sondern es ist die ungeheure Gefahr, durch die fürchterlichen Leiden und Entbehrungen infolge der Rationalisierung der deutschen Wirtschaftspolitik, körperlich vernichtet und geistig zurückgestoßen zu werden. Will man der deutschen Jugend wirklich und ernsthaft helfen, so müssen erst die sozialen Verhältnisse gebessert werden; gesundes, kräftiges Essen, bessere, Wohnungsräume, ausreichende Ferien, Aufenthalt auf dem Lande. Erst muß für die Kräftigung des Körpers gesorgt werden, um überhaupt eine rege geistige Tätigkeit zu ermöglichen!
Sodann muß der Schund und der Schmutz aus den Schulen entfernt werden, der Unterricht modernisiert, die monarchistischen Ueberbleibsel entfernt, überhaupt die Resultate der letzten pädagogischen Forschungen auch den Kindern des deutschen Proletariats zugänglich gemacht werden! Hier ist wirkliche Kulturarbeit für die Jugend des deutschen Volkes zu leisten!
Aber die Väter des Schund- und Schmutzgesetzes wollen ja gar nicht die Jugend vor Schund und Schmutz bewahren, sie wollen nur eine neue Knebelung aller freiheitlichen, geistigen Tätigkeit vorbereiten. Das Schund- und Schmutzgesetz soll eine neue Handhabe bieten, um gegen revolutionäre Künstler und ihre Schöpfungen vorzugehen. Ohne Schund- und Schmutzgesetz wurden schon verboten die Bücher und Schriften von Larissa Reißner, Kurt Klaeber, Johannes R. Becher u. a. Ohne Schund und Schmutzgesetz fiel schon der ,,Pfaffenspiegel", der seit Jahrzehnten in der wilhelminischen Periode hergestellt und verbreitet werden konnte, der mittelalterlichen Külz-Zensur zum Opfer. - Aber das reichte den ,,demokratischen" Muckern und Reaktionären nicht. Die Anstrengungen zur Durchführung des Schund- und Schmutzgesetzes fallen zusammen mit den Bestrebungen der Münchener Filmzensurstelle, den Film „Nathan der Weise" zu verbieten, weil im Vordergrund der Handlung ein Jude steht.
Das zeigt mehr als andere, wohin die Reise gehen soll. Der Schwindel ist aber derart plump, daß selbst weite bürgerlich-orientierte Kreise sich veranlaßt fühlen, gegen diese mittelalterlichen Bestrebungen Front zu machen.
Sehr richtig charakterisiert die Tragweite des Gesetzes Dr. Manfred Georg im ,,8 Uhr Abendblatt": ,,Das Gesetz ist noch viel, viel schlimmer, als es aussieht. Es bedeutet die Stabilisierung einer mittelalterlichen Gesinnung für den Staat… Mit dem Schutz der Jugend ist ganz anderswo zu beginnen: mit der sozialen Sicherung ihrer Entwicklung, mit der wirtschaftlichen Austrocknung des ungesunden moralischen Milieus der menschenüberfüllten Zinskasernen und durch tatkräftige Fürsorge. Aber an dies Motiv glaubt ja heute im Reichstage kein Mensch mehr..." Nein, wirklich, kein Mensch glaubt an die freche Heuchelei von Jugendschutz und Jugendfürsorge. Jeder Mensch weiß, daß das Gesetz nur die erste Etappe einer weiteren schamlosen Vergewaltigung aller linksgerichteten Kreise sein soll. Denn gelingt es der Bourgeoisie, dieses Gesetz durchzupeitschen, wird der nächste Schritt die Aufhebung der Pressefreiheit und Immunität linksgerichteter Abgeordneter, die Durchführung des skandalösen Reichsschulgesetzes und des bayrischen Konkordats sein. Vollständig recht hatte der kommunistische Abgeordnete Rosenbaum (Halle), als er Herrn Külz im Reichstage zurief: „Sie wollen ja gar nicht den wirklichen Schmutz und Schund bekämpfen, Sie fühlen sich ja im Schmutz und Schund wohl!"
Box in alto a destra
Theodor Fritsch
Reichstagsabgeordneter der Deutschvölkischen Freiheitspartei; Wahlkreis Leipzig; Zivilberuf: Verlagsbuchhändler; geb. 1852; wohnt in Leipzig.
Fritsch ist der Herausgeber der antisemitischen Wochenzeitschrift ,,Der Hammer", einer Zeitschrift, die sich vor allem durch die Klobigkeit ihrer Form wie ihrer Gesinung auszeichnet. Fritsch ist gewissermaßen ein Veteran des Antisemitismus, dem er sich seit 40 Jahren verschrieben hat und mit dem er stirbt - von dem er aber vor allem lebt.
Seine Praktiken fallen nicht aus dem in dieser Schrift sonst aufgezeigten völkischen Rahmen heraus.
Z. B. hat Fritsch verschiedene Pseudonyme, unter denen er seine Schriften und Artikel erscheinen läßt. Das ist sein gutes Recht. Aber - Fritsch beruft sich dann in einer Schrift auf die andere, oder als Fritz Thor auf die Ansichten des Roderich-Stoltheim und gibt sich so als vierfache Autorität aus. Der Leser sagt sich: „Ja, wenn der Roderich-Stoltheim das auch sagt, dann muß doch schon was Wahres dran sem! Auf solche und ähnliche Manipulationen und Unehrlichkeiten kommt es dem Altmeister Fritsch nicht an.
Didascalia sottostante
Wenn der Zensor wütet....
Seite aus dem Buche: „Deutschnationale und völkische Führer" von Heinz Eisgruber, aus dem der Zensor die für bekannte „nationale" Führer belastende Stellen verbot.
Didascalie delle immagini da sinistra verso destra
… Ihr tötet nicht den Geist!... Der gefesselte Prometheus, satyrische Zeitung auf das Verbot der von Karl Marx geleiteten „Rheinischen Zeitung" durch die Polizeischergen Friedrich Wilhelm IV, im Jahre 1843.
George Groß, der bekannte deutsche Zeichner, dessen wertvolle Werke wiederholt unter Mißbrauch der Formel „Schund und Schmutz" beschlagnahmt wurden.
Protestaktion namhafter Schriftsteller gegen die Einführung des Schmutz- und Schundgesetzes.
Sitzung des Ausschusses im Reichstage. Von links nach rechts: Wallauer, Präsident der Bühnengenossenschaft, Dr. Ed. Fuchs, Felix Holländer, H. E. Jakob, Norbert Jaques, Fr. Timpe Willi Haas und Johannes R. Becher.
Kurt Klaeber,
auch einer der jungen deutschen Autoren, gegen den man das Schund- und Schmutzgesetz zur Unterdrückung ihrer politischen Meinungsäußerung in Anwendung bringen wird.
Consistenza rilevata
- Quantità
- 1
- Tipologia
- documento/i
Segnatura di riordinamento
-
Classificazione
-
Unità di conservazione
- Unità di conservazione
- sottofascicolo
Orientamento
- verticale
Modalità di scrittura
- a stampa
Supporto
- cartaceo
Dimensioni
- Unità di misura
- cm
- Altezza
- 44