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Data topica 9/06/1926
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Fand im Hotel Metropol eine ausgelassene Hochzeit statt, so blieb er ernst. Sprach man von einem Begräbnis, so war er nicht traurig. Wurde eine leidenschaftlich vaterländische Rede gehalten, so bewegte sich kein Auge in seinem Gesicht, und der gesalzenste Herrenwitz entlockte ihm kein Lächeln. Selbst wenn er zuhörte, wie ein Raubmord beraten wurde, so konnte er ohne zu zittern Hummer servieren, und wenn sie im Hinterzimmer überschwenglich liebten, so schenkte er ohne eine Spur von Rührung Champagner ein. Ja, selbst wenn ein unvernünftiger Gast ihn anschrie und mit Unrecht rügte, arbeitete er wortlos, geräuschlos und eilig weiter.

Sobald ein Schreinermeister nur mit einem Finger winkte, glitt er sanft heran und bediente ihn, als ob er einen Bankdirektor vor sich hätte. Dann wieder stand er ganz unscheinbar hinten im Schatten, übersah die ganze Gesellschaft und klassifizierte mit seiner tiefen Kenntnis die Menschen, wie einer, der viel erlebt und immer bis zu den Hintergründen gesehen hat.

Er unterschied die Kleinmeister, die ja eigentlich nicht in dieses Hotel gehörten, und von denen die sozialistischen Zeitungen behauptet hatten, daß sie infolge des Streiks am Verlumpen seien. Er urteilte anders, denn sie schienen ihm sehr zufrieden zu blicken. Offenbar wurden sie vom Zentralverband ganz gut unterstützt, fanden sich ganz wohl dabei und stimmten darum allen Anträgen zu, die von der Zentrale kamen.

,,Kleines Gesindel", urteilte Albert, wenn sein erbarmungsloser Blick über sie hinweg ging.

Als bösartiger schätzte er die mittelgroßen Meister ein, die hauptsächlich jene feste, gallige Gruppe der Zornmütigen bildete. Bei denen konnte man nicht vom Verlumpen sprechen, denn sie standen schon vornehmer vor einem Bankerott. Ihre kämpferische Verbissenheit stand in direktem Verhältnis zu den möglichen finanziellen Verlusten.

Albert entkorkte ihnen Weinflaschen mit einer seltenen Eleganz und wußte:

,,Diese Streithähne werden am Großkapital kaput gehen, ob der Streik gewonnen oder verloren wird. Hoffentlich bald."

Und dann wieder blickte er hinüber an den Vorstandstisch, wo die großen, gelassenen Möbelfabrikanten indifferent vor sich her blickten, weil ihnen der Streik ein berechnetes Geschäftsereignis war, dessen Auswirkung sie durchaus kalt ließ.

Bei ihnen saß der Zentralsekretär, ein fast eleganter Advokat, für Albert:

,,Eine kalte Hundeschnauze, Söldner des Großkapitals." Er kannte auch diesen, wie alle andern Menschentypen. Seine Erfahrung reichte noch weiter in die obersten Gesellschaftsschichten. Früher hatte er öfter russischen Hofadel bedient. Später sah er mehr Männer der englischen und deutschen Hochfinanz und während des ganzen Krieges hatte man ihn einem General zugeteilt. Alle diese Menschen schienen ihm eines gewaltsamen Todes würdig und in seinem Innern lohte für sie alle ein unerbittlicher Haß wie ein kaltes, unauslöschbares Feuer. Seit er sie kannte, war er ein tief überzeugter Bolschewik für Ost- und Westeuropa. Nach dem Krieg hatte ihn ein Mißgeschick in unsere Stadt verschlagen, und obwohl das Metropol ein erstklassiges Hotel war, entsprach es niemals seiner Bedeutung. Hier servierte er auch kleinen Schreinermeister.

Albert stand fast unsichtbar, lanutlos ud [sic.] senkrecht mit der Serviette unter dem Arm, und ein Herr Präsident eröffnete die Verhandlungen. Er hielt sich sehr objektiv und schloß mit der Erklärung, daß man jetzt entweder mit einem mageren Kompromiß den Streik abschließen oder dann eben zu schärferen Kampfmitteln greifen müsse. Die Herren Unternehmer möchten sich dazu äußern.

Sofort verlangte ein Erboster das Wort, beschwerte sich mit beleidigenden Ausfällen über die vielen Versprechungen, die man ihnen von Anfang an gemacht und von denen man nur wenig gehalten hätte. Und jetzt rede man sogar von einem oberfaulen Kompromiß. Wenn die Dinge so stehen, dann solle der Vorstand öffentlich seine Unfähigkeit erklären und gefälligst zurücktreten. Er aber verlange im Namen einer größeren Anzahl der Herren Kollegen, daß man mit allen Mitteln durchhaue. Er auf alle Fälle wolle in spätestens vierzehn Tagen wieder arbeiten lassen, weil er nicht unendlich lange solche Verluste tragen könne.

Die Stimmung wurde hitzig und der Redner fand Unterstützung.

Da meldete sich zu vieler Erstaunen der Möbelfabrikant Bersinger zum Wort.

Albert warf ihm einen durchdringenden Blick zu und schätzte:

,,Ziemlich große Fabrik. Gutmütiger Mensch. Hat schon etwas viel Wein getrunken. Gewissermaßen ein Halbkapitalist, der die Entwicklung noch nicht ganz durchlaufen hat Besitzt kleinbürgerliche Sentimentali täten und wird für den Kompromiß reden. Eine überlebte Zwischenstufe".

Verächtlich wandte er den Blick ab, hörte dann aber mit wachsendem Staunen die unbeholfene Rede:

,,Herr Präsident, meine Herren Kollegen! Obwohl ich kein Redner bin, so muß ich es jetzt dennoch sagen - also, wir sind in einer ernsten Situation und es handelt sich um unseren Beruf und den Arbeitgeber überhaupt".

,,Wirklich kein Redner", denkt Albert.

,,Also, wir dürfen jetzt nicht nachgeben, sonst ist das der Ruin. Was verlangen denn diese Herren Arbeiter von uns? Daß wir uns selbst ruinieren, und das können wir kalkulieren. Also haben wir fest zu bleiben, und wenn wir das nicht tun, dann nimmt das Unheil seinen vollen Lauf. Wir haben jetzt wirklich genug davon erlebt, und wir hören täglich noch mehr von diesen unneimlichen Dingen, so daß einem grausen konnte.

,,Bravo, Herr Bersinger!" rief es vom anderen Ende des Tisches. Er aber hörte es kaum und redete in heißem Eifer weiter:

,,Also was unsere Stadt in den letzten Wochen erlebt hat, das geht schon ius Aschgraue, und kein Mensch weiß, wo überhaupt noch ein fester Punkt steht, wenn nicht die Unternehmer das Rückgrat der allgemeinen Unruhe bilden."

,,Meine Herren! Wir können uns nicht mehr auf die Behörden verlassen, denn jetzt ist es noch ein Sozialdemokrat. Ich sage das, weil es ein höchst bedenkliches Zeichen ist, aber ich sage es. Blicken sie rückwärts, und was sehen sie? Lauter bedenkliche Wahrnehmungen. Wenn ich sie daran erinnern darf. Und nun haben wir diesen Polizeipräsidenten. Also ich sage, das ist Zerfall, und nicht der einzige. Denken sie bitte daran, daß der Polizei selbst Maschinengewehre gestohlen worden sind. Ja, kann denn so etwas vorkommen, und was sagt der Bürger dazu? Wenn es so weiter geht, so stehen wir vor einer neuen Revolution, und da hilft einzig die Standhaftigkeit des Unternehmertums. Der erste Versuch mit den Streikbrechern auf der Straße, das war ein ganz guter Krawall, aber ich sage, zu klein und die Polizei war nicht hart genug. Also hier müssen wir fortfahren und den Handel viel ausgiebiger an die Oeffentlichkeit ziehen und ein oder zwei Maschinengewehre bereitstellen lassen. Die Zeiten sind ganz anders geworden, und darum soll man die richtige Taktik einschlagen. Auf die Straße mit den Streikbrechern und mit der Polizei, und im Hintergrund leichte Maschinengewehre. Also ja, ich habe gesprochen." 

(Fortsetzung folgt.)

 

Tra le due colonne di testo della prima parte della pagina c’è una vignetta pubblicitaria per AIZ con la seguente scritta

 

Jeden Mittwoch A.I.Z. 

Hier dem Beamten im Büro Reicht eine nicht. Er liest gleich zvo. 

 

La seconda parte della pagina contiene varie inserzioni pubblicitarie.

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